Zusmarshausen Der Tag vor den Pfingstferien führt die Zehntklässlerinnen und Zehntklässler der Realschule Zusmarshausen auf eine Zeitreise in die europäische Geschichte.
Ingo Espenschied ist Politologe. Das sei etwas anderes als Politiker, erklärt er zu Beginn seines einstündigen multimedialen Vortrages zum Thema „70 Jahre Europa“ im Festsaal St. Albert in Zusmarshausen. Das Publikum: Die Schülerinnen und Schüler der 10. Klassen der Realschule Zusmarshausen. Als Politologe untersuche und beschreibe er politische Zusammenhänge, Politiker machen hingegen Politik. Ein solcher „Macher“ steht dabei neben ihm. Der Bürgermeister der Marktgemeinde Zusmarshausen Bernhard Uhl. Über dessen Rathaus lief der Kontakt zu Espenschieds Unternehmen Doculive, mit dem dieser seit 14 Jahren auf Tournee durch Deutschland und das angrenzende Ausland unterwegs ist. Doculive bietet Livevorträge zu unterschiedlichen historischen und aktuellen Themen an, unterstützt durch Bilder und Videos im Kinoformat. Dass diese eindrucksvollen Vorträge momentan für junge Menschen in mehreren bayerischen Städten und Gemeinden zu sehen sind, geht auf eine Initiative der bayerischen Staatskanzlei, umgesetzt durch die Landeszentrale für politische Bildungsarbeit zurück.
Bernhard Uhl betont in seinem Grußwort, wie wichtig der Einsatz für Demokratie ist und dass gerade die junge Generation gefordert sei – auch im Rahmen der Politik vor Ort. Der Schulleiter der Realschule Jürgen Seipt-Wunderwald erklärt im Anschluss, dass die Lehrkräfte sofort begeistert gewesen wären, als sie von dem Angebot des Marktes Zusmarshausen gehört haben, denn die politische Bildung spiele an der Realschule eine wichtige Rolle. Nach einem Videogrußwort von Melanie Hummel, der Staatsministerin für Europaangelegenheiten und Internationales, begann die Reise durch die Geschichte Europas.
Inhaltlicher Dreh- und Angelpunkt des Vortrages war der Schuman-Plan von 1950, mit dem der Prozess hin zu einer europäischen Einigung nach dem 2. Weltkrieg seinen Anfang nahm. Die Idee des französischen Außenministers Robert Schumann war, dass über die Zusammenarbeit auf wesentlichen Feldern der Wirtschaftspolitik, insbesondere der Schwerindustrie, auch eine politische Annäherung erfolgen sollte. Espenschied, der auf langjährige Studienaufenthalte in Frankreich und England zurückblickt würzte hier seinen Vortrag mit Einblicken in seine Biografie, indem er dem jungen Publikum klarmachte, dass noch sein Großvater mit dem Bild des Erbfeindes Frankreich aufgewachsen war. Dabei war es ja gerade die Zusammenarbeit Frankreichs und Deutschlands, die zum Motor der europäischen Einigung wurde.
Besonders anschaulich gelang Espenschied der Ausflug in die Anfänge der europäischen Geschichte beginnend mit Karl dem Großen über die fränkischen Erbteilungen hin zu den katastrophalen Kriegen des 20 Jahrhunderts. Die Bildwirkung der großformatigen Präsentation tat hier ihr Übriges. Jeder im Saal spürte die Wertschätzung Espenschieds für das gemeinsame Europa. Es seien gerade der Blick über den europäischen Tellerrand, die Begegnungen mit Menschen in unterschiedlichen Ländern, die ihm bewusst gemacht hätten, dass Demokratie ein hohes Gut ist und dass im Zeitalter der Globalisierung und weltweit verflochtener Märkte die alten Nationalstaaten der Vergangenheit angehörten.
Besonders interessant verlief die Diskussionsrunde zum Ende der Veranstaltung, als die Zusmarshauser Realschülerinnen und Realschüler ihre Fragen loswerden konnten. Insbesondere interessierte hier die Frage nach den Gefährdungen des europäischen Integrationsprozesses durch europafeindliche Kräfte in verschiedenen Mitgliedsländern der EU. Am Ende stand die Gewissheit, dass der Weg Europas in die Zukunft nur in Kooperation gelingen kann. Das Ziel der Unternehmung Doculive, junge Menschen und Erwachsene für politische Themen zu begeistern, ist an diesem Vormittag in Zusmarshausen voll aufgegangen.